12. November 2012

Ursula Poznanski - Die Verratenen

2012, Gebunden mit Schutzumschlag, 461 Seiten
€ (D) 18,95 | € (A) 19,50
ISBN 978-3785575468

Sie ist beliebt, privilegiert und talentiert. Sie ist Teil eines Systems, das sie schützt und versorgt. Und sie hat eine glänzende Zukunft vor sich - Rias Leben könnte nicht besser sein. Doch dann wendet sich das Blatt: Mit einem Mal sieht sich Ria einer ihr feindlich gesinnten Welt gegenüber und muss ums Überleben kämpfen. Es beginnt ein Versteckspiel und eine atemlose Flucht durch eine karge, verwaiste Landschaft. Verzweifelt sucht Ria nach einer Erklärung, warum ihre Existenz plötzlich in Trümmern liegt. Doch sie kann niemandem mehr vertrauen, sie ist ganz auf sich allein gestellt.


Eines weiß ich nach diesem Buch ganz gewiss: Ursula Poznanski kann schreiben was sie will - und wenn sie auch auf noch so viel begangenen Pfaden wandelt -, es wird immer gut. Mit "Die Verratenen" traut sich die beliebte Jugendbuchautorin nach den Erfolgen "Erebos" und "Saeculum" (beide übrigens sehr zu empfehlen!) nun auch in die Dystopie.
Ich war und bin begeistert von diesem Trilogieauftakt! Das Dumme - unter Anführungszeichen - an den richtig guten Büchern, die außerdem noch spannend und mit jedem Wort fesselnd sind, ist bloß, dass ich jedes Mal total vergesse, irgendwelche Notizen zu machen. Das hier wird also eine reine Gedächtnis-Rezension. Ich hoffe, es fällt nicht allzu sehr auf. ;)

Die Menschheit hat eine Eiszeit hinter sich. Ria, die an der besten Sphärenakademie des Bundes studiert, hat im Leben noch kein Gras gesehen. Das hat niemand, den sie kennt. Ihre Welt bestünde nur aus Schnee und Kälte gäbe es den Sphärenbund nicht, in dessen Schoß gehütet sie aufwächst. Riesige Glaskuppeln, die Leben und Überleben ermöglichen. Die Ria zwar einsperren, aber dabei auch die gefährlichen Außenbewohner auf Abstand halten.
In der ein oder anderen Form haben wir das fast alle schon gelesen. Und klar, man könnte einfach die Schnauze voll haben von Dystopien und Endzeitromanen. Nur, eines ist auch klar: Dann entgehen einem potentielle Schätze - und wenn eine Neuerscheinung dazugehört, dann die von Poznanski.

Ein gelungender, fesselnder Schreibstil. Charaktere, die nicht unterschiedlicher sein könnten und so feinfühlig aufeinander abgestimmt, dass man am liebsten in ihren Kreis aufgenommen werden möchte. Kein lästiges Liebesgesülze, das sich von der ersten Seite weg voraussagen lässt. Durchdachte Strukturen, Überraschungen, und - hab ich es überhaupt schon erwähnt? - Gänsehautspannung!
Wobei, das muss ich wohl dazusagen, der Spannungsaufbau in "Die Verratenen" ist erst sehr subtil - so subtil, dass ich ihn am Anfang tatsächlich habe suchen müssen. Es war auch diese Anfangsphase, in der ich mich mit der Protagonistin Ria "zusammenraufen" musste.
Ria ist sehr überlegt - nicht umsonst ist sie die siebtplazierte in der Rangliste der Akademie, ein Garant für eine spätere Spitzenposition in der Regierung. Ria steht über den Dingen, ist oftmals sehr nüchtern, und obwohl mir diese Charakterzüge selbst nicht ganz unbekannt sind, habe ich ein paar Kapitel gebraucht, um mit ihr warm zu werden.

Aber dann liefs wie am Schnürchen und hat gar nicht mehr aufgehört. Bis zur letzten Seite, die viel zu schnell kam, habe ich an jedem Satz gehangen und wollte nicht loslassen. Während für Ria immerzu alles verstrickter wird und sich ihr und dem Leser ständig neue Wahrheiten und Unwahrheiten offenbaren, steht jeder Charakter unter seinem ganz eigenen Druckpolster.
Rias besonderer Blick auf die Welt, ihre durch jahrelange Rhetorik- und Diskussionsübungen geschärfte Menschenwahrnehmung, verleiht dem Buch einen detailreichen und doch pfiffigen Schliff. Ich fand es unglaublich spannend, zu beobachten, wie Ria in gedankenlosen Gesten und unbewusten Tonlagen liest wie in einem offenen Buch.

"Die Verratenen" ist schlussendlich nicht nur für Ria und ihre Freunde eine emotionale und physisch anstrengende Achterbahnfahrt, der Leser ist genauso mitgenommen und muss am Ende erst mal durchatmen.
Was uns im zweiten Teil erwarten wird, ist wohl im Groben abzusehen - Ursula Poznanski hält sich an die Spielregeln der Dystopie. ABER: Es sind die kleinen Dinge, die ein Buch besonders machen. Und davon hat "Die Verratenen" (und mit Sicherheit auch die beiden Nachfolger) einiges zu bieten. Wer sich das aus Dystopie-Verdruss entgehen lässt, hat hoffentlich eine richtig gute Ausrede parat.