9. Oktober 2012

Bettina Belitz - Linna singt

Ich habe den Eindruck, dass ich das ganze Jahr schon dem Blogger-Dasein hinterherhinke. Fast jedes Monat finde ich mich in der Situation wieder, wochenlang nichts von mir gegeben zu haben. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ein ziemlich aufregendes und umbruchsreiches Jahr hinter mir liegt (also, noch nicht ganz, aber immerhin waren die letzten drei Viertel sehr aufregend und umbruchsreich) - aber es zeigt sich doch immer wieder, so auch heute: Ganz werdet ihr mich nicht los ;)

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2012, Gebunden mit Schutzumschlag, 510 Seiten
€ (D) 18,95 | € (A) 19,50
ISBN 978-3839001394

Seit fünf Jahren hat Linna sie nicht mehr gesehen: Maggie, Simon, Jules und Falk, die ehemaligen Mitglieder ihrer Band. Nun treffen sie sich in einer Hütte in den Bergen wieder, um für einen Auftritt zu proben. Linna hatte eigentlich keinen Grund, Maggies Einladung zu folgen, denn was die anderen nicht wissen: Seit damals hat sie keinen Ton gesungen. Doch etwas treibt sie an, sich ihrem alten Leben zu stellen: die Erinnerung an eine Nacht mit Falk, dem Gitarristen. Linna muss sagen, was vor fünf Jahren unausgesprochen blieb, und sie muss hören, ob Falk eine Antwort hat. Bald beginnt die von Anfang an gespannte Atmosphäre zu kippen: Was als zwangloses Wiedersehen geplant war, wird zum zermürbenden Psychospiel, bei dem Linna immer mehr als Lügnerin dasteht. Sie gerät in einen Strudel aus Verdächtigungen, Abhängigkeiten und tragischen Missverständnissen, der sie schließlich zwingt, die Erinnerung an vergangenen Schmerz zuzulassen. Denn dort liegt der Schlüssel zu allem: der Grund dafür, dass Linna nicht mehr singt.


Nachdem ich mit "Dornenkuss" so meine Problemchen hatte (so genau kann ich die gar nicht benennen, ich hab es bloß seit Weihnachten letzten Jahres nicht über Seite 300 hinaus geschafft), war ich umso erleichterter, dass mir Bettina Belitz mit "Linna singt" nochmal eine Gelegenheit geboten hat, ihre herausragende Erzählweise in einem anderen Umfeld zu erleben. Und, wah!, war das ein Erlebnis - "Linna singt" hat sich absolut gelohnt!

Zuallererst ein Dankeschön an Bettina Belitz persönlich, dafür dass sie sich die Genrebezeichnung "Young Adult" wirklich zu Herzen genommen hat. Schon in der "Splitterherz"-Trilogie ist mir das sehr positiv aufgefallen, und auch in "Linna singt" darf ehrlich über Gefühle und Sex gesprochen werden. Kein ärgerliches unter-den-Teppich-Gekehre. YA - vor allem amerkanisches YA - hat mich soweit getrieben, dass ich diesen Aspekt lobend in einer Rezension erwähnen muss, weil er einfach nicht selbstverständlich ist. (Schade.)

Belitz' Protagonisten sind alle über 20 und haben die ein oder anderen Problemchen hinter sich. Linna selbst ist ... speziell. Ich glaube, nicht jeder freundet sich mit ihr an und wahrscheinlich würde ich sie im "echten" Leben nicht mögen. Wahrscheinlich wäre sie mir unsympathisch. Aber das läge daran, dass sie unnahbar, richtiggehend unantastbar ist. Erst mit den verfliegenden Seiten habe ich eine Vielschichtigkeit an ihr entdeckt, die ich ohne den persönlichen Ich-Perspektiven-Zugang niemals aufdecken hätte können. Linna redet nicht gerne von sich und lässt andere lieber glauben, was sie denn glauben wollen. Deshalb kommt diese Vielschichtigkeit auch so überraschend - und verleiht der Geschichte eine Spannung, die ich vorher nicht vermutete hätte.
Linnas Frustration, ihre Kontrollsucht, die spitzen Bemerkungen (die mich auf die Palme getrieben hätten wäre ich ihr gegenüber gestanden). Aber auf der anderen seite auch dieses Verständnis für ihr Benehmen. Die Konfrontation mit dem Charakter Linna werde ich definitiv als eine der aufregendsten Buchbegegnungen in Erinnerung behalten.
Was dieses Buch ausmacht, ist die Zeit, die sich Bettina Belitz für die Präsentation und die Gestaltung ihrer Protagonisten nimmt. Dadurch entstehen ein paar ausschweifenden Passagen und Sätze, aber die Autorin schafft es auf diese Weise, dass der Leser Linna bis ins tiefste Innere kennenlernt. Eine Protagonistin, die noch nicht einmal kennen gelernt werden will.

Neben Linna lernt der Leser ihre ehemaligen Bandmitglieder und den "Neuzugang" Tobi kennen. Ein Zusammentreffen, das gewollt heiter beginnt, das aber bald in Irritation umschlägt, je mehr Linna aufdeckt. Ein angenehmer Hüttenaufenthalt soll es werden, Bandproben, nettes Zusammensitzen. Aber die Anspannung nagt an allen - vor allem auch am Leser, der zuerst eher planlos außenvor sitzt und nicht weiß, worauf das ganze hinauslaufen soll. Aber - da muss man sich keine Sorgen machen - es passiert früh genug etwas und dann kann man froh sein, wenn man vorher tief genug Luft geholt hat, denn atemlos wird es gegen Ende garantiert.
Bloß ... naja, ein paar Sachen waren mir dann doch zu ... ich weiß nicht. Die Auflösungen haben mich nicht wirklich gestört, einige waren wirklich gut und überraschend, aber andere fand ich weit hergeholt oder nicht ganz glaubhaft - zwei, drei Mal habe ich die Augenbrauen hochgezogen und "ahaaaa" gedacht, aber das ist auch schon alles, was ich an negativer Kritik anbringen kann.

Sprachlich ist Bettina Belitz auf gewohnt außergewöhnlichen Pfaden unterwegs. Mir macht es einfach unglaublichen Spaß, jedes einzelne Wort zu lesen, über jedem Satz zu hängen, um ja nichts zu verpassen! Fans ihres Stils werden auch an "Linna singt" ihre Freude haben und das Buch nicht zur Seite legen wollen. Mir zumindest kann es nicht schnell genug gehen, bis Belitz' nächstes Buch erscheint, und wer weiß, vielleicht versuch ich es doch noch mal mit "Dornenkuss" - und wenns bloß der Sprache wegen ist.

Fazit: "Linna singt" begeistert und krallt sich fest. Linna ist eine Protagonistin, die polarisiert. Nicht nur die Leserschaft, sondern auch den Leser als Individuum, und was könnte es Spannenderes geben - zusätzlich zu all den anderen am Verstand nagenden Dingen, die der Handlung Spannung verleihen. Loslassen unmöglich.

4 Kommentare:

Karo hat gesagt…

Eine sehr schöne und zutreffende Rezension. :) Ich finde ihren Schreibstil auch immer wieder einen Genuss, auch wenn mir Linna und auch die anderen zwischendurch echt ein bisschen viel waren. Aber ansonsten mochte ich es auch, und Bettina Belitz behält einen festen Platz in meinem "ungesehen-gekauft"-Regal. :)

sineous hat gesagt…

Schön, dass du den Blog nicht aufgibst - du bist eine der wenigen, die ich super gerne lese, weil du eine klare Meinung und einen guten Buchgeschmack hast!

"Linna singt" ist mein erstes Buch von Belitz und obwohl ich es mir gekauft habe (günstige Gelegenheit bei der Signierstunde), erwartete ich nicht viel davon, weil der Klappentext eher nach einem Teenie-Roman klingt. Aber deine Rezi macht mich neugierig, es zu probieren.

StefanieEmmy hat gesagt…

@Karo: Ich bin jetzt schon so gespannt, was BB als nächstes schreiben wird, ich würde am liebsten gleich vorbestellen :D

@sineous: Och, das ist lieb, danke :D "Linna singt" ist mehr als ein Teenie-Roman, wirst sehen ;) Ich wünsch dir viel Spaß beim Lesen :)

Izzy hat gesagt…

Hey Steffi!

Ich finde es immer so schwierig mit ihren Büchern. Toll schreiben kann Bettina Belitz, aber ich finde es so schwer Zugang zu ihren Charakteren zu finden oder sie zu mögen. Ich fand Elli nur anstrengend und Linna hört sich auch eher ... ähm ... komplex an.
Ich glaub, ich les einfach mal kurz rein und werde dann entscheiden, ob ich das Buch doch lesen werde. Denn die Story an sich hört sich interessant an und dich hat es ja auch richtig begeistert.

LG,
Izzy