Annabel Greene hat alles, könnte man denken: In einem Werbespot spielt sie die Roller der Umschwärmten, Erfolgreichen. Aber von dem, was sie dort verkörpert, hat Annabel im richtigen Leben nichts: keine Freunde, keinen Rückhalt, kein Selbstbewusstsein. Ihre beste Freundin hat ein hässliches Gerücht über sie in die Welt gesetzt. Ein Gerücht, zu dem Annabel schweigt, so wie auch in ihrer Familie Probleme totgeschwiegen werden. Einzig und allein wen, der immer die Wahrheit sagt, gelingt es, Annabel aus ihrem Schneckenhaus herauszulocken - und schließlich sogar ihr Geheimnis zu lüften ...
Inhalt
Annabel hat ihren Sommer allein verbracht - sie hat es selbst so gewählt. Denn nach dem Vorfall zwischen ihr und ihrer besten Freundin Sophie, zu dem Annabel konsequent schweigt, ist sie der festen Überzeugung, alleine dazustehen.
Als ihr letztes Jahr an der High School beginnt hat sie keine Freunde mehr, sitzt tatsächlich allein beim Mittagessen, wird ignoriert.
Auch zu Hause spielt Annabel die Rolle der Unberührbaren. Ihre älteren Schwestern und sie haben ihr Leben lang gemodelt, doch nachdem Kirsten es freiwillig aufgegeben hat und Whitney wegen ihrer Magersucht zum Aufhören gezwungen wurde, ist Annabel die einzige, die noch von ihrer Mutter zu den Castings und Shootings kutschiert wird. Und Annabel wagt es nicht ihrer Mutter auch noch das zu nehmen. Sie schweigt lieber und lässt es - um es ihrer Familie neben all den anderen Problemen leicht zu machen - über sich ergehen. Genauso wenig wagt sie es, den Vorfall von vor dem Sommer anzusprechen.
Erst Owen, der wegen einer Schlägerei im letzten Jahr ein Wutbewältigungstraining absolvieren musste, gelingt es, zu Annabel durchzudringen. Owen hat sich geschworen, immer die Wahrheit zu sagen, er geht Konflikten nicht aus dem Weg, konfrontiert Annabel mit ihrem eigenen Leben und schafft es so, dass sie sich all ihrer kleinen Notlügen, die nur den einen Zweck haben, dass es allen anderen besser geht, bewusst wird.
Annabel beginnt, Owen zu vertrauen, und versteht langsam auch, dass sie ihrer Familie zu Liebe nicht ständig zurückstecken kann.
Meinung
Was für ein Buch! Energiegelanden, emotional, süchtig machend, und ganz nebenbei auch noch richtig humorvoll geschrieben! Sarah Dessen geht an all diese schweren Themen, die von vielen Autoren gern einmal über die Stränge dramatisiert werden, so natürlich heran, dass man glaubt, alles selbst erlebt zu haben. Das Lese-Feeling, das dadurch entsteht, ist ein kaum nachzuahmendes.
Sarah Dessens Protagnisten sind von vorne bis hinten aufwändigst durchdacht. Damit meine ich nicht nur Annabel und Owen, sondern vor allem auch Annabels Familie, die ebenfalls eine sehr große Rolle spielt. Gerade die Beziehungen zwischen diesen Personen werden sehr real dargestellt, die Probleme - Streitigkeiten zwischen Schwestern, die "harmoniesüchtige" Mutter - nachvollziehbar erzählt.
Annabel ist in meinen Augen das typische brave, unkomplizierte Kind, überzogen ausgedrückt der Traum aller Eltern. Doch die Gefahr bei diesen Kindern ist, dass sie neben all den Problemen, die die Familie der anderen Kinder wegen hat, einfach untergehen. Es wird mit der Zeit automatisch davon ausgegangen, dass da eh alles in Ordnung ist. Und wenn das Kind dann doch einmal Probleme hat, wagt es fast nicht, sie überhaupt anzusprechen.
Ich kann Annabels Empfindungen sehr gut verstehen. Sie glaubt einfach nicht, dass ihre Mutter, die nervlich nicht gerade aus Stahl gemacht ist, ein weiteres Sorgenkind verkraften könnte. Deshalb schweigt sie - und frisst alles in sich hinein.
Owen auf der anderen Seite ist zwar in der Schule als Einzelgänger bekannt. Im Gegensatz zu Annabel hat er erkannt, dass es sehr viel gesünder für ihn und seine Umwelt ist, wenn er Probleme anspricht und von vornherein immer die Wahrheit sagt, um weitere Konflikte zu vermeiden. Gerade das Wutbewältigungsprogram hat ihm da sehr geholfen. Und die Musik.
Allerdings ist Owens Musikgeschmack sehr eigen, aber gerade das ist die Konstante, die Annabel und Owen schließlich verbindet - all die Diskussionen über die Musik, die Owen Sonntags um 7 Uhr morgens in seiner Radiosendung spielt.
Durch Owens Schwester Mallory - bei deren Auftreten ich übrigens jedes Mal herzlich lachen musste - wird sich Annabel schließlich der Veränderung bewusst, die sie über den einsamen Sommer und während des Herbstes mit Owen durchgemacht hat. Mallory sieht in ihr das Model, das Mädchen aus dem Fernsehspot das alles hat. Freunde, Ansehen, Selbstbewusstsein. Doch Annabel ist längst kein solches Mädchen. Sie hat ein Geheimnis, über das sie ganz dringend sprechen muss, und auch ihre Familie muss sich endlich eingestehen, dass es Dinge gibt, über die man sprechen muss, bevor sie einen von innen zerstören.
Das langsame Annähern Annabels an diese Einsicht hat Sarah Dessen in "Just Listen" meisterlich eingefangen. Der Leser fühlt sich sofort gefangen, die 450 Seiten sind ein einziger Klacks. Obwohl ich das englische Original nicht kenne (mir aber mehrmals versichert wurde, dass es sprachlich richtig toll ist *zu Lisa schiel*) behaupte ich an dieser Stelle, dass uns hier eine wirklich hervorragend gelungene Übersetzung vorliegt - was ja längst nicht immer der Fall ist, gerade bei Jugendromanen.
Meine Begeisterung beginnt langsam auszuufern, trotzdem aber: Eine klar Empfehlung - Sarah Dessen gehört einfach in jedes Regal!
In Amerika ist die Autorin übrigens schon sehr bekannt, bei uns hört man leider immer noch recht wenig von ihr. Von den vielen Büchern, die Dessen bisher geschrieben hat, wurden aber bereits einige ins Deutsche übersetzt. Bei DTV sind bisher fünf Romane der Autorin erhältlich, am 1. September erscheint dann noch "About Ruby", das ich mir schon jetzt im Kalender vorgemerkt habe.
Bewertung
5 Blümchen, was sonst ^^
Herzlichen Dank an DTV für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
5 Kommentare:
♥ Ist doch wirklich ein Genuss, dieses Buch, oder? +schwärm+
Ich fand Owens Musikgeschmack einfach nur genial - und dass er sich so konsequent an das Aggressionsbewältigungsprogramm hält xD So süß! (und eigen...)
:D
About Ruby ist, glaube ich, Lock and Key - auch schön, aber nicht so ein eindeutiges Happy End (trotzdem gut!)- da musst du dir unbedingt das englische Cover ansehen, das ist traumhaft geworden.
Absolut ein Genuss! :D
Owen und seine Musik sind ja ein ganz eigenes Kapitel, aber ich fand die Diskussionen, die er und Annabel geführt haben, einfach Hammer! Die Aussagen, die dabei fallen, treffen einfach so ins Schwarze - obwohl ich ja laut Owens Klassifizierung nicht grade zu den "Erleuchteten" gehöre ;D
Ja, ich bin wohl auch keine xD
Aber ohne Owens komischen Musikgeschmack wären sicher einige geniale Szenen entfallen :D
Meiner Meinung nach, ist das ja ihr bestes Buch bisher (obwohl ich The Truth about Forever und Along for the Ride gaaaaanz knapp danach einreihe)
"About Ruby" ist bestimmt "Lock and Key", oder? Ich find das total bescheuert, wenn sie den Büchern im Deutschen einen anderen englischen Titel geben. Entweder beibehalten oder deutsch.
Juste Listen will ich auch noch lesen, habe bisher nur Lock and Key von Sarah Dessen gelesen und das war schön, aber nich herausragend.
Ich hab nachgesehen - es ist Lock and Key (wirklich blöder deutscher Titel O.o). Ich mochte das Buch, aber Just Listen und The Truth About Forever sind besser.
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