25. Dezember 2010

Christoph Marzi - Grimm

Gebunden mit Schutzumschlag, 556 Seiten
€ (D) 17,99 | € (A) 18,50
ISBN 978-3453266612


Der Tag fängt nicht gut an für die siebzehnjährige Vesper Gold. Sie ist neu in Hamburg, in der Schule gibt es wieder Ärger, und ihre Mutter, eine weltberühmte Pianistin, hat einmal mehr keine Zeit für die temperamentvolle Tochter. Doch all das ist mit einem Mal unwichtig, als Vesper erfährt, dass ihr Vater unter mysteriösen Umständen gestorben ist. Plötzlich ist ihr ein geheimnisvoller Unbekannter auf den Fersen und in der Post findet sie einen Brief ihres Vaters, der einen Ring, einen Schlüssel und eine Warnung enthält: "Hüte dich vor den Wölfen und dem, was ihnen folgt."


Was sich hinter diesem Satz verbirgt, erfährt Vesper schneller, als ihr lieb ist: Immer unheimlichere Dinge geschehen in der Stadt, Wölfe tauchen auf und alle Kinder fallen in einen rätselhaften Tiefschlaf. Auf der Suche nach Antworten trifft Vesper auf den Studenten Leander Nachtsheim, der wie sie einen uralten Schlüssel bei sich trägt. Verfolgt von düsteren Wesen betreten die beiden eine Welt, in der Geschichten lebendig zu werden scheinen. Eine Welt, die sie verstehen müssen, bevor sich die Gegenwart auf ewig verändert: Denn das, was die Brüder Grimm einst mit Worten zu bannen suchten, ist aufs Neue erwacht ...


Was ich denke ...
Lust auf eine eigensinnige, vorlaute Heldin, die genau weiß, was sie will? Vesper Gold ist 17 Jahre alt, von Schule hält sie nicht besonders viel, dafür ist sie umso begeisterter von ihrem Job als Schneiderin in einem kleinen Theater. Als Tochter berühmter Eltern hat sie es nie einfach gehabt, doch als diese Eltern - die einzige Familie, die sie nach dem Selbstmord ihrer Schwester noch hatte - auf brutale Weise ermordet werden und Vesper erfährt, dass sie Mitglieder einer geheimen Gesellschaft waren, bricht für sie die Welt zusammen.

Auf den ersten Blick scheint es zwar nicht so, doch Christoph Marzi macht es seinen Lesern in "Grimm" wirklich einfach, die Heldin zu mögen. Vesper ist zwar kein "Mädchen von nebenan", aber gerade ihre zeitweise Anti-Einstellung macht sie für die jungen Leser von heute sympathisch.
Leander, dem Vesper während ihrer Suche nach Antworten begegnet, ist da gänzlich anders gestrickt. Schon allein sein Kleidungsstil ist, naja, schräg: ein Tweedjackett, eine Fliege um den Hals, die unvermeidliche Haartolle, die ihm in die Stirn hängt. Schräg, aber liebenswürdig.

Wie von Marzi gewohnt gibt es nie Stillstand in der Handlung. Es dauert zwar eine Weile, bis die Brüder Grimm überhaupt genannt werden, doch ihre Märchen tauchen schon in den ersten Seiten auf - besonders Rotkäppchen ist sehr präsent. Und überhaupt passieren immer mehr seltsame Dinge in Hamburg und der ganzen Welt. Vesper wird von Wölfen verfolgt, alle Kinder schlafen mitten am Tag zur selben Zeit ein, ihre Eltern träumen in der Nacht darauf von der gleichen geheimnisvollen Stimme. Schließlich bekommt Vesper ein Paket ihres toten Vaters, das einen Ring, einen Schlüssel und eine Warnung enthält.

Nach und nach tauchen all diese mysteriösen Geschehnisse in der Handlung auf, eine derartige Masse an Informationen und Mutmaßungen, dass man sich zu fragen beginnt, wie das alles am Schluss zusammenpassen kann. Ohne zu viel zu verraten: Das kann es tatsächlich! Und das auch noch äußerst elegant.

Insgesamt beginnt "Grimm" etwas langsam, mich hat die Geschichte erst ab Seite 200 so richtig gepackt. Loswerden möchte ich aber auch, dass es ein Buch zum Genießen ist. Marzis Schreibstil ist wirklich einzigartig - zumindest ist mir noch kein Autor unterkommen, der ähnlich blumig schreibt und trotzdem nie den Gripp zur Wirklichkeit verliert.
Marzi hat eine ganze Menge Märchen eingebaut (und auch Seitenhiebe auf zum Beispiel Goethes Faust kommen nicht zu kurz), darüber hinaus sprüht "Grimm" geradezu von verstecken Märchenmotiven. Vesper beispielsweise versteckt sich in einer Standuhr vor dem bösen Wolf und Leander zaubert - wie es eben seine schräge Art ist - bei jeder Gelegenheit Äpfel aus seinen Taschen hervor.

Zusammen mit Vesper, Leander und dem Sandmann Jonathan Anderson begibt sich der Leser in Marzis neuestem Roman auf eine abenteuerliche Suche nach den Mythen, die die Brüder Grimm vor beinahe 200 Jahren auf die Seiten ihrer Märchenbücher bannten. Es gilt die Kinder zu retten, die, wie schon einmal in der Vergangenheit, von den Mythen gestohlen wurden. Ein etwas anderer Ausflug in die Welt der Märchen, aber einer, der sich vom "Es war einmal ..." bis zum "... bis ans Ende ihrer Tage." wirklich auszahlt.


Bewertung
Marzi-typisch ist "Grimm" durch das zeitliche Setting im Buch geradezu perfekt für die kalte Jahreszeit - besonders wenn außen der Schneesturm tobt. Für Marzi-Fans ein Must, für Märchen-Fans auch, und für alle anderen ein Buch, dass ich euch nur ans Herz legen kann.






Herzlichen Dank an Heyne für das Rezensionsexemplar!

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo:) Das hört sich an, als hättest du schon mehrere Bücher von Marzi gelesen. Ich würde gerne einmal eins von ihm lesen. Hast du einen Tip, welches gut zum "Einsteigen" ist?
Liebe Grüße;)

StefanieEmmy hat gesagt…

Mein erstes Buch von Marzi war "Heaven". Ich denke, das ist auch gut als Einstieg geeignet, weil es nicht gar so lang ist. Ansonsten könntest du es direkt mit "Grimm" versuchen. Der "Marzi-Klassiker" (wenn man das so nennen kann) schlechthin ist natürlich "Lycidas" - je nachdem wie dick die Bücher sind, die du sonst so liest, könntest du ruhig auch das als Einstieg nehmen. :)

Liebe Grüße, ich hoffe ich konnte helfen ^^

Anonym hat gesagt…

Ich bin zwar nicht so ein Marzi Fan, wie die meisten anderen, aber irgendwie reizt mich "Grimm" sehr, eben weil ich Märchen so liebe.
Deine Rezension hat mir jetzt auch nochmal richtig Lust auf das Buch gemacht. Ich glaube ich werde es doch mal auf meine Wunschliste setzen. Schon allein wegen dem Cover lohnt sich der Kauf :D

Euphie hat gesagt…

Tolle Rezension! Das Buch hört sich sehr interessant an und ich liebe Märchen! Das Buch kommt somit auch auf meine Wunschliste.:-)