€ (D) 14,90 | € (A) 15,40
ISBN 978-3-931989-79-8

Eine Welt ohne Krankheit und Kummer.
Kein Leid und keine Leidenschaft.
Einmal wöchentlich bekommt jeder in "Neustadt" seine Glücksinjektion. Trotzdem ist die siebzehnjährige Pi nicht so glücklich wie alle anderen. Stimmt etwas nicht mit ihr? Oder warum darf sie nicht mit Lucky zusammen sein, ihrem besten Freund? Anders zu sein ist gefährlich, denn hinter dem Zaun, der "Neustadt" umgibt, liegt die Wildnis. Dort herrschen noch Krankheit und Gewalt - und dorthin werden alle verbannt, die aus der Reihe tanzen. Dann geschieht etwas Unfassbares: Die Glücksdroge versagt. Und plötzlich steht Pi vor der Entscheidung ihres Lebens: Liebe oder Freiheit?
Eine kurze Reise in die Vergangenheit:
Meine erste Dystopie habe ich 2008 mit "The Hunder Games" gelesen. Vor 5 Jahren also - Wahnsinn! Gleichzeitig war Suzanne Collins Trilogie-Auftakt eine der beeindruckendsten und langanhaltendsten Dystopien, die mir bisher untergekommen sind. Es hat Standards in der YA-Dystopie gesetzt, die damals noch gar nicht so richtig benennbar waren. Ich konnte zumindest noch nicht so richtig auf den Punkt bringen, worauf es mir bei einer Dystopie ankommt, weil ich keine/kaum Erfahrung in diesem Genre hatte.
Seit "The Hunger Games" haben es nur wenige Dystopie geschafft, mich wirklich zu überzeugen. Wenn sie es geschafft haben, dann meistens deshalb, weil sie einen sehr ungewöhnlichen Aspekt mitbringen, toll geschrieben sind und/oder ein ganz neues Thema anschneiden. Unwind, Delirium, "Divergent", Across the Universe und "The Knife of Never Letting Go" stehen jedes für sich aus einem ganz bestimmten Grund auf meiner All-Time-Fav-Dystopie-Liste.
Ihr wisst, wie das läuft: Es wird immer schwieriger, Bücher zu finden, die einen wirklich vom Hocker hauen. Ehrlich gesagt, habe ich gar nicht mehr damit gerechnet, dass ich so schnell wieder das Vergnügen haben würde. Aber siehe da: "Wild" kommt daher, sieht gut aus, ist von Lena Klassen geschrieben, klingt ein bisschen nach "Delirium".
Der entscheidende Faktor war der Name Lena Klassen. Ich weiß nicht, ob ich sonst zum Buch gegriffen hätte, weil der Klappentext so oder ein bisschen anders auf jeder zweiten Jugend-Dystopie steht.
Im Grunde, wenn man das Buch auf einzelne Faktoren runterbricht, macht Lena Klassen nichts Neues. Aber wie bei so vielen Büchern bringt die Umsetzung die Würze, und da hat Frau Klassen kräftig im Gewürzregal gewühlt - und die richtige Mischung gefunden.
"Wild" hat viele Inhalte, die man schon aus anderen Dystopien kennt: Genmanipulation, Drogen, die alle Menschen auf ein Level bringen und gefügig machen, großangelegte Partnerzuweisung, um für die besten Matches zu Sorgen, ein Trennen des sicheren "Inneren" vom wilden "Außen".
Was Lena Klassen so gut kann und was in den meisten dystopischen Jugendromanen (viele vom amerikanischen Markt, aber ich denke hier auch explizit an gewisse deutsche Werke, die mich das Fürchten gelehrt haben) leider zu kurz kommt, sind echte Gefühlsbeschreibungen, die unter die Haut gehen. Pi erwacht aus ihrem Glücksnebel und zum ersten Mal spürt sie, was es heißt, verzweifelt zu sein. Dass nicht nur die Augen weinen, sondern der ganze Körper darin aufgeht. Beim Lesen von Lena Klassens Beschreibung hätte ich am liebsten gleich selber losgeheult, um mit Pi mitzuspüren können.
Die Autorin liefert mit "Wild" nicht bloß Schlag-auf-Schlag-Spannung - das mag ich ja ganz besonders gerne! - sondern geht zudem viel tiefer in die menschliche Seite einer Dystopie. Wenn man beim Lesen plötzlich denkt: "Ja, das sind die Worte! Jetzt weiß ich endlich, wie ich dieses Gefühl beschreiben kann!", dann macht Unterhaltung das, was sie soll: sie inspiriert.
Noch ein Wort zum Ende, das fand ich nämlich ganz toll, weil es endlich mal wieder ein absolut unkitschiges ist. Nicht nur, dass es da kein Liebesgesülze gibt (Hallelujah!), es ist auch sonst nicht alles ala Rosarote Brille. Irgendwie wars sehr ... realistisch, ich kanns gar nicht anders umschreiben, ohne zu viel durchsickerung zu lassen.
Was noch dazu kommt: Das Ende ist rund, es ist abgeschlossen, aber gleichzeitig bleibt auch genug Spielraum für einen zweiten Teil (den, so hab ich mir sagen lassen, es geben wird, wenn die Autorin die Zeit findet - also alle Daumen drücken, die ihr habt!).
Ich könnte weiterschwärmen, aber das Wichtigste habe ich gesagt.
"Wild" braucht sich was Spannung anlangt nicht vor "The Hunger Games" und "Divergent" zu verstecken und hält in Sachen Sprache und Ausdrucksgewandtheit locker mit "Delirium" Schritt. Warum immer die Hand nach den amerikanischen Bestsellerlisten-Reitern ausstrecken wenn das Gute doch so nah liegt?
Wenn das keine 5 Blümchen verdient, dann weiß ich auch nicht.