Ich beobachte alles, wann immer es geht. Die Menschen. Ich mache mir Gedanken darüber, warum die Frau, die dort über die Straße läuft, derart selbstsicher um sich blicken kann. Selbst ihr Gang widerspricht ihr nicht. Vielleicht ist sie sich all der Blicke bewusst, die an ihrem Rücken kleben ... Warum lässt der Schüler an der Bushaltestelle die Schultern hängen? Englisch? Probleme in Mathe?
Wenn man so viel nachdenkt wie ich, ist es leicht, sich auch über andere Gedanken zu machen. Ich will nicht, dass sie sich dadurch unwohl fühlen - jetzt, da sie wissen, dass ich beobachte. Normalerweise wissen sie es ja nicht. Ich glaube, die meisten denken nicht einmal daran, dass ihnen jemand anderer als sie selbst so viele ungefragte Momente widmen könnte ...
Jedenfalls, wenn ich nicht beobachten kann, dann schreibe ich. Ich erschaffe mir selbst eine Welt, die ich uneingeschränkt und ohne das Gefühl, ich könnte lästig werden, beobachten kann. Diese Welt gehört nur mir. Solange, bis ich sie mit jemandem teile. Und das ist gar nicht so leicht, im Gegenteil: Es kostet eine Menge Überwindung, die eigene Welt Fremden freizugeben.
Aber dadurch verstehe ich auch, was mir andere geben, wenn ich sie beobachten darf; was sie wirklich freigeben. Durch das Schreiben gebe ich zurück. Zuerst nehme ich mir ihre Welt, dann bekommen sie meine. Dieser Vorgang hat für mich inzwischen gleich viel Selbstverständlichkeit wie das Aufstehen am Morgen.
Und wann komme ich auf solche Dinge? Beim Nachdenken, natürlich ... ^^
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