5. August 2011

Bernhard Aichner - Für immer tot

2011, Taschenbuch, 236 Seiten
€ 12,95
ISBN 978-3852188829

Um sie herum ist alles dunkel, sie hat keine Ahnung, wo sie sich befindet, neben ihr nur zwei Flaschen Saft und ein Handy ihre einzige Verbindung zur Außenwelt, zur Polizei und zu ihrem Stiefsohn, dem Totengräber Max Broll. Ihre letzte Erinnerung: Ein Mann ist in ihre Wohnung eingedrungen, hat sie überwältigt, in eine Kiste gesteckt und irgendwo im Wald vergraben. Und sie erinnert sich auch, wer der Mann war: Leopold Wagner, der "Kindermacher", den sie vor achtzehn Jahren ins Gefängnis gebracht hat. Das Problem ist nur: Wagner kann es nicht gewesen sein, denn er sitzt nach wie vor hinter Gittern.


Was ich denke ...
Ein kleines Dorf in den Alpen? Krimi? Normalerweise reagiere ich auf diese Kombination - die in meinen Ohren geradezu etwas von "Heimatroman" hat - allergisch. Das mir das bei Bernhard Aichners "Für immer tot" nicht passiert ist, liegt schon mal daran, dass das Buch rein gar nichts von typischem Dorfkrimi hat - und dass ein Totengräber als "Detektiv" einfach zieht.

Schon auf der ersten Seite wird dem Leser klar, dass Bernhard Aichners Max-Broll-Krimi anders ist, als man sich das vorgestellt hatte. Der Stil des Autors ist vom Mainstream weit entfernt, besticht durch Halbsätze, Zeitsprünge, plötzliche Szenenwechsel und ist vor allem geprägt von Dialogen ohne Anführungszeichen und erklärenden Text. Das klingt ein wenig verwirrend, aus eigener (Lese-)Erfahrung weiß ich aber, dass sich die anfängliche Verwirrung (die dazu führt, dass man einige Textstellen schon mal doppelt lesen muss) sehr schnell legt. In Aichners Maßstäben sieht ein Dialog dann folgendermaßen aus:

-Was wohl Stein dazu sagt?
-Er packt gerade seine Koffer. Morgen ist Stein Geschichte.
-Er fährt also tatsächlich zur Kur, unser Herr Pfarrer.
-Der kommt nicht wieder.
-So leicht wirst du den nicht los, Max.
-Burnout, der kommt nicht mehr.
-Darauf trinken wir.
-Er sagt, ich bin dafür verantwortlich.
-Wenn er das sagt, wird es wohl so sein. Er ist schließlich Pfarrer.
(Seite 5)

Neben dem schwarzen Humor (der oben im Zitat schon ein wenig durchsickert) hat mir auch der sofortige Handlungsbeginn den Einstieg ins Buch sehr erleichtert. Die Figuren selbst werden nämlich nicht großartig vorgestellt, das Bild setzt sich erst nach und nach zusammen.
Dadurch, dass zwischen den direkten Reden eines Dialoges keine erklärenden Ergänzungen stehen, kommt es auch durchaus vor, dass man mal für einige Absätze in Unverständnis schwebt (- man stelle sich Fragezeichen über dem Kopf vor -) und erst dann eine Erklärung geliefert bekommt.

Ein weiterer Punkt auf der "Das-ist-kein-Mainstream"-Liste ist der Protagonist Max Broll. Einen Totengräber in der Rolle der ermittelnden Figur finde ich schon recht ungewöhnlich. Vor allem wenn man dann noch seinen besten Freund und unterstützenden Ermittler, den Ex-Fußballstar Baroni, in die Rechnung miteinbezieht.
Mehr als einmal hatte ich beim Lesen den Gedanken, dass die beiden über weite Strecken des Buches mehr Anti- als wirklichen Helden gleichen. Um Max' Stiefmutter zu retten bestechen und drohen sie, greifen sogar zu Foltermethoden. Das Seltsame dabei ist, irgendwie kann man es Max und Baroni gar nicht so sehr übel nehmen.

Der Autor spielt mit der Psychologie, lässt den Leser nie ungerührt, vermittelt Hoffen und Bangen. "Für immer tot" ist ganz sicher kein "Heimatkrimi", sondern ausgefeilteste Spannung, in ungewöhnlicher, aber genialer Weise präsentiert.


Bewertung
Lesen! Bernhard Aichner ist ein Könner, nur weiß es noch fast niemand. Von Max Broll muss man sich einfach überzeugen lassen.






Die Max-Broll-Krimis
"Für immer tot" ist bereits der zweite Krimi über den Totengräber Max Broll. Der erste ist im Sommer 2010 erschienen und trägt den Titel "Die Schöne und der Tod". Man kann die beiden Bücher unabhängig voneinander lesen.

Bernhard Aichner - Die Schöne und der Tod (2010)
Bernhard Aichners Krimi-Debüt - eine abgründige, schräge und spannende Story rund um einen Totengräber, einen Fußballstar im Ruhestand und eine verschwundene Leiche: Dass Emma, seine erste große Liebe, plötzlich wieder in sein Leben platzt, und dass er ihre Schwester Marga, die sich vom Hausdach gestürzt hat, auf dem Dorffriedhof begraben muss - das würde der Totengräber Max Broll noch hinnehmen. Aber dass jemand Margas Leiche aus dem noch frischen Grab entführt, das geht entschieden zu weit. Als Max Broll die Sache, gegen den Willen der Polizei, selbst in die Hand nimmt, beginnt für ihn ein Wettlauf um Leben und Tod.

3 Kommentare:

Christina hat gesagt…

das klingt ja echt spannend, ich glaub das werd ich mir auch kaufen. ich bin ansich nicht so der krimi fan weil ich das meistens recht langweilig find.

michael hat gesagt…

treffende worte hast du da gefunden. erwähnenswert finde ich außerdem das hohe erzähltempo, das wirklich von der ersten bis zur letzten minute fesselt. ich habe auch den zweiten max-broll-krimi regelrecht verschlungen. wirklich eine packende geschichte zum mitfiebern...

Cara hat gesagt…

Danke für die interessante Rezension! Ich habe von dem Autor noch nichts gelesen, bin aber vor kurzem durchs Internet auf ihn aufmerksam geworden. Werde ich mir definitiv näher anschauen!!

liebe Grüße,
Cara