Klappentext
Vergiss das Märchen - erlebe das Abenteuer!Leise wie ein Schatten streift ein merkwürdiger Junge durch die Straßen von New York. Er nennt sich Peter und ist auf der Suche nach Kindern und Teenagern, die dringend Hilfe brauchen. Peter rettet sie - und bietet ihnen an, sie in sein magisches Reich zu führen, in dem niemand je erwachsen werden muss. Doch er verrät ihnen nicht, dass dieses Land im Sterben liegt und dort nicht nur magische Geschöpfe und das Abenteuer ihres Lebens auf sie warten, sondern auch größte Gefahr ...
InhaltAls Peter geboren wird, glauben die Menschen noch an Feen und Waldgeister. Und sie fürchten sie. Als Peters Familie bemerkt, dass mit dem Säugling etwas nicht stimmt, verschleppen sie ihn in den Wald, um ihn dort für die wilden Tiere zurück zu lassen.
Doch der kleine Peter ist gerissen und schon bald führt er ein unbeschwertes Leben im Wald. Nur die Spielgefährten fehlen dem niemals alternden Kind, und die kann ihm auch die mystische Dame, eine der Göttinnen der Insel Avalon, nicht ersetzten.
Schon bald entführt Peter die ersten Kinder - Kinder, die allein sind und seine Hilfe brauchen. Kinder, die wie Peter die Erwachsenen hassen. Der Kinderdieb macht sie zu seinen Teufeln, einer Truppe Krieger, die die Dame und seine Heimat Avalon vor den gestrandeten Fleischfressern schützen soll.
Im Jahr 2006 trifft Peter auf Nick, der vor den Schlägern auf der Flucht ist, die seine Mutter ins Haus gelassen hat. Nick ist verzweifelt, hasst seine Mutter zutiefst, weiß nicht wohin. Genau die Sorte Kind, die Peter für die Verteidigung Avalons braucht.
Und schon wenig später findet Nick sich im Teufelsbaum wieder, in dem Peter seine Krieger ausbildet und für den Kampf gegen die Fleischfresser rüstet. Es dauert nicht lange, da kommen Nick Zweifel. Wofür genau soll er eigentlich kämpfen? Und weiß Peter wirklich, was er tut?
MeinungBrom hat mit "Der Kinderdieb" ein Buch vorgelegt, das seine Reize hat. Diese werden schon auf den ersten Seiten wach, auf denen der Leser sofort erkennt, dass der Autor seine Geschichte nur in den Grundzügen an das bekannte Kindermärchen "Peter Pan" von James M. Berrie angelehnt hat. Denn "Der Kinderdieb" ist weit brutaler als ich den Stoff von den Disney- und Kinderbuchversionen her kannte. Brutal, aber dafür auch sehr viel realer und plastischer. Abgesehen davon gibt es aber noch sehr viele Aspekte mehr, die für die Lektüre dieses Buches sprechen.
Auf den ersten Seiten ist mir besonders die angenehm zu lesende Sprache ins Auge gestochen. Meiner Meinung nach ist gerade das die Vorraussetzung für ein Buch, das über 650 Seiten lesenswert sein will. Der Rest ist Draufgabe und entscheidet darüber, ob das Buch sein Versprechen hält und mir gefällt oder nicht.
Die sehr positive Draufgabe bei "Der Kinderdieb" ist ganz sicher Nicks Charakter, der einem schon nach wenigen Absätzen ans Herz wächst. Gerade Nick ist sehr realitätsnah, praktisch wie aus dem Leben gegriffen, geraten. Er hat Angst, er ist völlig verzweifelt und die Szenen am Anfang zeigen, dass er kein Übermensch ist, der sich gegen jeden wehren kann. Wie so viele andere Jugendliche in unserer Gesellschaft braucht Nick eine rettende Hand, die ihm in "Der Kinderdieb" von Peter gereicht wird.
Peter, der immer ein Kind bleiben wird und doch so wenig von einem glücklichen Kind, wie wir es uns gewöhnlich vorstellen, an sich hat. Er mordet, er ist skrupellos. Andererseits ist er nicht ohne Grund zu dem geworden, der er ist. Wie ein jedes Kind sucht er Geborgenheit und findet sie bei der Dame, die ihn in ihren Bann zieht und bewusst oder unbewusst, da bin ich mir nicht so sicher, seine Taten steuert.
Peter will seine Heimat verteidigen, der einzige Ort, an dem er sich je sicher gefühlt hat, und dass er deshalb zu den schlimmsten Mitteln überhaupt greift, kann ich sogar verstehen. Dieser Zwiespalt zwischen richtig und falsch ist auch einer der Reize, die mich beim Lesen so gefesselt haben.
Trotzdem muss ich auch anmerken, dass es im Buch immer wieder Längen gab, teilweise wurden für meinen Geschmack zu viele Details dargebracht, sodass ich das Gefühl hatte, streckenweise ginge die Handlung betreffend gar nichts weiter.
Für diese Hänger im Spannungsbogen wurde ich aber immer wieder entschädigt, gerade durch die eindrucksvollen Schilderungen rund um Nick und die gut gewählten Beschreibungen seines Lebens auf der Insel Avalon.
Avalon, das ist mein nächster Punkt. Anstatt auf Nimmerland lässt Brom seinen Peter auf Avalon leben, jener Insel, die auch in der Artuslegende eine große Rolle spielt. Und wie in der alten Legende flechtet Brom den Kampf zwischen Christen und Naturreligionen in seine Geschichte ein. Dieser Aspekt hat mir wirklich gut gefallen, vor allem deshalb, weil er die Handlung um ein gutes Stück vielschichtiger gemacht hat.
Passenderweise begegnen dem Leser in "Der Kinderdieb" alte britische Gottheiten wie zum Beispiel die Dame Modron, die wahrscheinlich in engem Zusammenhang mit der Dame vom See, Morgan le Fay, aus der Artuslegende steht. Außerdem kommt der Gehörnte, ebenfalls einer der alten Götter, vor.
In der Handlung spielen des Weiteren die Fleischfresser eine große Rolle. Sie sind Menschen, die vor über 300 Jahren auf Avalon gelandet sind und die Insel dann wegen des Nebels nicht mehr verlassen konnten.
Während Kinder auf Avalon nicht mehr altern, verwandeln sich Erwachsene in schwarzhäutige, schuppige, aggressive Gestalten, die man nur sehr schwer töten kann. Und wie wir selbst, unsere Gesellschaft, die Erde immer mehr zu Grunde richten, zerstören die Menschen in "Der Kinderdieb" das paradiesische Avalon ohne sich Gedanken um die Folgen ihrer Handlungen zu machen. Diese Parallele hat mich förmlich angesprochen, weshalb ich sie auch hier erwähnt haben möchte.
Was natürlich auch sehr zu meinem Lesevergnügen beigetragen hat waren die Zeichnungen, die immer passend zum Inhalt am Kapitelanfang zu finden sind. Besonders die ersten beiden Bilder von Peter und Nick haben mir sehr gefallen. Als weiteres Extra befinden sich in der Mitte des Buches sogar noch acht farbige Darstellungen der wichtigsten Bewohner Avalons.
Zusammenfassend ist "Der Kinderdieb" eine gelungene Mischung aus Fantasie und schonungslos dargebrachter Realität. Gerade die letzten hundert Seiten strotzen nur so vor Kämpfen, durchbohrten Körpern und abgeschlagenen Köpfen. Aus diesem Grund ist Broms Roman in meinen Augen kein Kinderbuch, sicher aber eines für Jugendlich ab 13 oder 14, die das Märchen von Peter Pan einmal von einer ganz anderen Seite kennen lernen möchten.
BewertungIch vergebe 4 von 5 Blümchen, weil mich die Längen zwischendurch schon ziemlich gestört haben, "Der Kinderdieb" im Großen und Ganzen aber ein äußerst lesenswertes Buch ist.

Dem PAN-Verlag herzlichen Dank für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!